Fleißig jonglieren schafft Hirnmasse

Eine Studie der Universitätskliniken Regensburg und Jena hat ans Licht gebracht, dass Jonglieren auch "erwachsene" Gehirne noch wachsen lässt. Bisher waren die Neurologen davon ausgegangen, dass die "grauen Zellen" beim Erwachsenen durch Lernen keine neue Strukturen bilden.

Dogma umgeworfen.

Das ist jetzt widerlegt. Die Jännerausgabe 2004 des renommierten internationalen Wissenschaftsmagazins "Nature" wartet mit dem spektakulären Ergebnis auf. Was Privatdozent Dr. Arne May und sein Team an der Neurologie der Uniklinik Regensburg herausgefunden haben, "hat ein komplettes Dogma umgeschmissen", freut sich der Forscher. Denn dass ein Gehirn ausgewachsener Menschen noch neue Zellmasse produziert, hielten die Hirnforscher die letzten 15 bis 20 Jahre lang für unmöglich.

Bekannt war, dass durch Aktivitäten wie Jonglieren "auf der funktionalen Ebene Plastizität stattfindet", sagt der Regensburger Privatdozent, der früher in Essen und dann in London arbeitete. "Nervengebiete übernehmen beispielsweise Aufgaben von geschädigten Nachbarregionen". Auf der Suche nach "etwas Einfachem, das jeder lernen kann" erinnerte sich sein Team an Erfolge, die Jonglieren bei Menschen mit Schlafstörungen und Kopfschmerzen erzielt hatte. Warum sollte es nicht auch bei Gesunden Veränderungen bewirken?

Zuvor hätten Forscher nur herausgefunden, dass sich einzelne Zellen etwa nach Verletzungen neu bilden können, sagte der Koautor der Studie, Christian Gaser. In der Studie untersuchten die Wissenschaftler die Gehirne von Studenten mit einem Altersdurchschnitt von 22 Jahren während eines dreimonatigen Jonglier-Trainings. Dabei stellten sie nicht allein ein Wachstum in zwei Gehirnregionen fest, sondern nach dreimonatigem Absetzen des Trainings auch wieder ein "Schrumpfen".

Eine solche Rückbildung der "grauen Zellen" im Alter oder durch Krankheit ist bekannt. "Jonglieren ist aber etwas, was man nicht vergisst - nach acht Jahren kann man's immer noch", sagt May. Freilich hat sich dann die erworbene Gehirnmasse mangels Training wieder zurückgebildet. Wie rasch dieser Vorgang vonstatten geht, muss noch untersucht werden.

Bewiesen: Es reagiert

Das Wachstum wiesen die Forscher mit Hilfe von Magnetresonanztomographie (MRT)-Aufnahmen nach. MRT ist entfernt mit Röntgentechnik verwandt, arbeitet
aber statt mit Strahlen mit Magnetfeldern. Für Dr. Arne May steht jedenfalls fest: "Es ist absolut sicher, dass das Gehirn auf Veränderungen der Umwelt plastisch reagiert - durch Wachsen oder Schrumpfen."

Die von May und dem Jenaer Team entdeckten strukturellen Veränderungen wurden in der Gehirnrinde festgestellt. Gehirnmasse allein macht es wohl nicht - es kommt schon darauf an, wo sich die "grauen Zellen" bilden.

 

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